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"Feuer!" Selfassessment Preparedness

Manchen unserer Handlungen liegt ja nun eine gewisse abergläubische Motivation zugrunde: ich schnalle mich im Auto an weil ich eben keinen Unfall haben möchte, schliesse eine Rechtschutzversicherung ab ohne einen Streit in Planung und taste im Flugzeug nach der Schwimmweste unter meinem Sitz. So hängt auch mein Fluchtrucksack neben der Eingangstür ganz ohne Erwartung, diesen jemals zum Einsatz zu bringen.


Vorbereitung beruhigt eben ungemein, eines von vielen guten möglichen Investments in mentale Gesundheit.

Und dann wache ich auf vor ein paar Tagen in einem schönen Traum mit knisterndem Kaminfeuer, warm und orange rot, drehe mich nochmal um und kuschle mich in die Kissen. Bis ich die Schreie höre „Es brennt!“ „Feuer!“ „Alle raus!“. Aus dem Bett in die Stiefel, den Rucksack geschultert bin ich in nullkommanix auf der Treppe und nach 4 Stockwerken im Freien. Ausgerüstet, um gegebenenfalls weiterziehen zu können in ein Hotel, zu Freunden oder auch in eine Notfallunterkunft.


Zum Glück konnten wir im Verlauf der nächsten Stunden wieder in unsere Wohnungen, doch erinnere ich mich noch gut an meine Gedanken, im Nachthemd auf der Strasse. „Ich kann mich auf mich selbst verlassen". Je kritischer die Lage, umso kühler mein Kopf. Meine größte Beruhigung.


Dass es auch anders laufen kann, habe ich in dieser Nacht erlebt: Die Familie, die mit Baby auf dem Arm und nassen Handtüchern über den Köpfen zielstrebig Richtung Brandherd läuft, die junge Frau, die mehrmals zurück in ihre Wohnung möchte, um dies und jenes zu holen. Das junge Pärchen, n unablässigem Gerede verstrickt, steigert sich in schiere Panik. Und dann ist da noch der Nachbar, der als letzter aus dem Haus geführt wird, er war schlicht starr vor Schreck. Rauchmelder hin oder her.


Wie wir in Extremsituationen reagieren lässt sich unter Laborbedingungen nur schlecht voraussagen. Wer jedoch aus früheren Erfahrungen weiss, dass er oder sie in kritischen Situationen dazu neigt, in einen Schockzustand oder in Panik zu geraten, der kann üben. Mit der richtigen Anleitung lassen sich Alltagssituationen dazu nutzen, die Nerven zu stählen.

So scheint mir dieses Jahr im Rückblick eine Art Assessment für persönliche Ausnahmesituationen gewesen zu sein: Frühsommer, an einem Feiertag wie aus dem Bilderbuch werde ich vormittags Opfer eines Überfalls. Wie es mir widerstrebt, das O-Wort auszuschreiben, doch ist diese eine Situation unter wenigen im Leben mit glasklarer Täter-Opfer Zuordnung. Also Opfer. Die Details seien Ihnen als Leser*in erspart und beschäftigen heute die Staatsanwaltschaft.


Allgemeininteressant verorte ich, dass sich im Geschehen (welches nach Rekonstruktion 11 Minuten dauerte) mein Trainingsprogramm in Mentaler Ersthilfe gedanklich abspulte. Ein willkommener Autopilot. Schockzustand vermeiden, nur nicht erstarren, Füsse auf den Boden pressen, Atmung in den Bauch schicken, lange ausatmen. Laut sprechen.

Repeat.

Später auf der Polizeistation und im Krankenhaus erkläre ich mich auf Nachfrage. Warum ich in relativ guter, sprich klarer, orientierter Verfassung sei. Wir unterhalten uns über Psychologische Ersthilfe und Rapid Responses. (Kein Weg der Gewinnung von Mitgliedsorganisationen, den ich nochmal freiwillig beschreiten möchte, dennoch nichts für ungut ;).


Klar ist: Niemand weiss, welches Abenteuer ihn oder sie in den nächsten 5 Minuten erwartet. Doch wir können uns vorbereiten. Das allein beruhigt ungemein und hilft im Fall des Falles manche Gefahr und ihre Folgen abzuwenden. Sowohl physisch als auch psychisch.


be prepared.


PS: Infoblatt und Packliste zum Fluchtrucksack finden Sie bei Interesse hier: skyminds Handouts Kurse und Training Notfallrucksack/Bug-out-bag


 
Corinna Cremer, Dozentin und Vordenkerin für Krisengesundheit.
"Krisen sind besser als ihr Ruf und Vorbereitung lohnt sich - weil wir Ausnahmesituationen selten verhindern können, anders als ihre Folgen." Einige meiner Erlebnisse und Erfahrungen aus 30 Jahren in der Begleitung von Menschen und Unternehmen in Herausforderungen teile ich in der Kolumne gerührt & geschüttelt. www.corinnacremer.com

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gerührt & geschüttelt. freedom. safety. mental health. kolumne.
"Sie haben die besten Absichten, einen hohen moralischen Wertestandard und dann kommt etwas dazwischen. Und das ist in den meisten Fällen ihr eigenes Gehirn."
Hier schreibt Corinna Cremer über Freiheit, Sicherheit und das, was mentale Gesundheit damit zu tun hat.
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