Leben in der Lage
Anno 2019, ein betrieblicher Notfall größeren Ausmaßes. Die näheren Umstände - auf welche ich hier zum Schutze der Identität des Kundenunternehmens nicht eingehe - tun für unser Thema heute nichts zur Sache. Ich bin sicher, Ihnen fallen gleich Parallelen zum eigenen Umfeld ein.
„Wie kannst Du Dich jetzt nur entspannen?“ So ein Kollege zum anderen, Tag 3 des Ausnahmezustands. Max E. (Name geändert) mit den Füssen auf dem Schreibtisch, den Blick aus dem Fenster in der Ferne, in der Hand ein Kaltgetränk.
Die Antwort von Max wird uns in den nächsten Wochen in der Nachbereitung des betrieblichen Vorfalls noch beschäftigen - „Ich kann nicht, ich muss.“
Leben in der Lage - shifting gears. Wenn aus einem kritischen Ereignis eine Krise wird, ist es hilfreich, die Gänge zu wechseln.
Im organisationalen Kontext kann das ein Betriebsunfall sein, der als kritisches Ereignis für Betroffene und Zeugen mit polizeilicher Aufnahme, psychologischer Erster Hilfe, Nachsorge und Planänderungen die Organisation einige Tage lang beschäftigt bevor sich der betriebliche Alltag wieder einschwingt.
Stecken hinter dem Unfall betriebliche Mißstände, fehlende Sicherheitsvorkehrungen oder Manipulation kann sich das Geschehen zu einer länger andauernden Krise auswachsen.
Gut im Sprint, schlecht im Marathon. Menschen sind gut in Katastrophen, weniger gut in Krisen.
Über einen kurzen Zeitraum klappt es meist zufriedenstellend mit Zusammenhalt, Kommunikation, Entscheidungskraft. Doch sind die mentalen Ressourcen ohne Refill schnell aufgebraucht. Fehler häufen sich, soziale Spannungen nehmen zu, in Teams fallen immer mehr Menschen aus im Lauf der Zeit.
Gut zu beobachten bei jeder Naturkatastrophe, aber auch im Privaten.
Erst geht das Situationsbewusstsein, dann die Einsatzfähigkeit.
In unser aller Leben verdichten sich Krisen, eine gute Gelegenheit will ich meinen, sich in "Leben in der Lage" zu üben:
Was also meint der Imperativ?
In Kurzform: Essen, wenn Du essen kannst, schlafen, wenn Du schlafen kannst. (klingt nach wenig, ist viel, hier dankt das neurologische Netz.)
Und weiter, für Fortgeschrittene: Geniessen, wann immer möglich. Nicht nur der Lebensfreude zuliebe (wobei diese Motivation vollkommen ausreichen sollte), vielmehr zugunsten eines intelligenten und hochwirksamen Resets des geforderten Gehirns. Tut sich selbiges doch außerordentlich schwer, gleichzeitig sinnlich und das zu empfinden, was wir gemeinhin als "Stress" bezeichnen. Probieren Sie´s aus!
An dieser Stelle begegnen freudvolle Geniesser dann nicht selten einem hinderlichen moralischem Überbau, der ihnen einflüstert: Dich nimmt doch keiner ernst, wenn Du Dich wohlfühlst in dieser schwierigen Situation! Leister leiden! Eine gefährliche Haltung, die als solche für manches Unheil und einen Gutteil des psychischen Gesundheitsnotstands verantwortlich ist.
Denn das Gegenteil ist der Fall: Nur, wer sich gut fühlt - und gut meint hier das emotionale Signal für ruhig, sicher, gelassen, satt und ausgeschlafen - kann durchhalten, auch auf Dauer tragfähig entscheiden, zuverlässig kommunizieren und sozial interagieren. Unabdingbare Kriterien für das erfolgreiche Krisenmanagement.
Vorsicht mit den 3A: Ablenkungen, Alkohol, Aktionismus sind strategisch unklug in der Krise und erleichtern nur für den Moment. All hands on deck!
Zurück zum Genuss. Geniessen können korreliert nicht mit Zeit haben. Wohl jedoch mit Üben. Der erste Schluck Café am Morgen, ein Sonnenstrahl, der durch die Bäume fällt, das Lächeln im Gesicht des Gegenübers auf dem Weg zum Bus. Sie merken schon, geniessen können hat viel mit der Kunst der Wahrnehmung zu tun. Situational awareness. Und die lässt sich trainieren. Zum Beispiel jetzt, in diesem Moment.
In jeder Krise ist auch nicht Krise.
Diese Momente zu erkennen und zu pflücken ist das Geheimnis des Krisenmanagers mit langem Atem.
Corinna Cremer, Dozentin und Vordenkerin für Krisengesundheit.
"Krisen sind besser als ihr Ruf und Vorbereitung lohnt sich. Weil wir Ausnahmesituationen selten verhindern können, anders als ihre Folgen." Einige meiner Erlebnisse und Erfahrungen aus 30 Jahren in der Begleitung von Menschen und Unternehmen in Herausforderungen teile ich in der Kolumne gerührt & geschüttelt. www.corinnacremer.com
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