Die Sauerstoffmaske.
„Im Falle eines plötzlichen Druckabfalls, fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke über Ihnen. Nehmen Sie diese und setzen Sie sie fest auf Mund und Nase, erst dann helfen Sie Kindern.“
An Tipps zur Bewältigung von Stress und Krise mangelt es dieser Tage nicht, was selten fehlt ist der Vergleich mit der Sauerstoffmaske. Eine Metapher, die mich ärgert ob ihrer wenig hilfreichen mehr noch schaminduzierenden Wirkung außerhalb eines Flugzeugs.
Der naseweise Ratschlag des sachgerechten Gebrauchs einer Sauerstoff Maske richtet sich als plakatives und daher gerne verwendete Bild an Frauen, was die Sache noch schlimmer macht. Ist das weibliche Gehirn doch besonders empfänglich für Appelle an vermeintliche oder reale Pflichten. Ob nun die Evolution davon profitiert mit sorgenden Müttern, die sich aufopfern für den Nachwuchs oder sich das weibliche Gehirn gemäß des mütterlichen Verhaltens geformt hat, diese Henne-Ei Frage soll uns hier nicht weiter interessieren. Wie immer geht es um das Hier und Jetzt und da tut gut daran, wer evolutionsbewährte und -bedingte Prägungen versteht, bevor er mit Krisentipps um sich wirft.
Hätten sich unsere Ahnen in Gefahrensituationen zuerst um sich und dann um den Nachwuchs gesorgt, gäbe es uns nicht, so einfach ist das und so folgenreich.
„Die Hütte brennt, nichts wie rausgerannt.“ Ihre und meine Ahnen waren es, die das schlafende Kind aus dem Stroh an sich rissen und damit ihre eigenen Überlebenschancen erheblich reduzierten. Ein gesunder Instinkt sorgt in Extremsituationen zuerst für den Nachwuchs. Anders verhält es sich auf der Mittelstrecke: Mittel- und langfristig kann das Überleben des Nachwuchses nur sichern, wer auch für sich sorgt. Ein wichtiger Rat heute besonders für Mütter und Väter, die viele Rollen in ihrem Lebensstück spielen, und in jeder einzelnen brillieren wollen. Oder müssen. Oder meinen, müssen zu wollen.
Es nicht um Perfektionismus, es geht um Scham.
Scham, die zusätzlich Druck und Angst erzeugt in ohnehin schwierigen Situationen. Scham, die Mütter – und Väter! – belastet und zensiert, wenn sie in Extremsituationen das tun, was ihnen eingebrannt ist: Nämlich den Nachwuchs vor das eigene Wohl zu stellen. Und damit oft vor die eigenen Chancen.
Choose your battles: Gegen die Krise und gleichzeitig gegen die Evolution zu kämpfen scheint wenig aussichtsreich.
Wie wäre hingegen eine Übung in Akzeptanz? Bei plötzlichem Druckabfall fallen im echten Leben nämlich keine Sauerstoffmasken von der Decke. Im Alltag der Ausnahmesituationen müssen wir uns um Rettung selbst bemühen. Was dabei niemand brauchen kann ist Scham, das toxische Gefühl, dass sich einstellt bei in der Vorstellung oder real sanktioniertem Verhalten.
Heute, nach 30 Jahren Muttersein bin ich sicher: wir hätten unsere bumpy road nicht überlebt, hätte ich mir zuerst die Sauerstoffmaske aufgesetzt.
Choose your battles.
Corinna Cremer, Dozentin und Vordenkerin für Krisengesundheit.
"Krisen sind besser als ihr Ruf und Vorbereitung lohnt sich. Weil wir Ausnahmesituationen selten verhindern können, anders als ihre Folgen. Erfahrungen und Erlebnisse aus 3 Jahrzehnten in der Begleitung von Mensch und Unternehmen in Herausforderungen teile ich in der Kolumne gerührt & geschüttelt." www.corinnacremer.com
Ende des 19. Jahrhunderts, irgendwo auf dem indischen Subkontinent. Indien ist eine Kolonie des Britischen Königreichs und....
Da brauchst Du doch keine Angst zu haben! Der tut Dir doch nichts! … kommt ihnen bekannt vor? Erinnerungen an Kindheitstage? Im Ergebnis...
Nennen wir es Intelligenz. Plädoyer für eine Renaissance der Angst als kluge Ratgeberin resilienter, mental starker Menschen
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